Der zweite Weihnachtsfeiertag bei uns, heißt hier, wie in vielen anglo-amerikanischen Ländern, Boxing Day. Nicht weil, wie ich bisher dachte, das etwas mit Boxsport zu tun hat, sondern das der Tag nach Weihnachten ist, an dem früher die Bediensteten und Sklaven die Geschenkeschachteln (Boxes) der Weihnachtsgeschenke, falls sie überhaupt welche bekommen hatten, der Herrschaft zurück gaben.

 Auf dem Bahamas wird das mit einem karnevalsähnlichen Umzug in der Nacht gefeiert; Junkanoo Parade. Aufwendig werden die Wagen gestaltet. In den Nebenstraßen bauen die Ansässigen die Grill- und Getränkestände auf. Leider hat das nächtliche Nassau nicht den allerbesten Ruf und es wird vor abendlichen Ausflügen, auch in größeren Gruppen, gewarnt. Dazu kam, dass die Paradestrecke eingezäunt wurde und zwischen 40$ und 70$ Eintritt fällig sein sollten. Das war dann mehr eine Parade für die Kreuzfahrer auf der Tribüne am Festivalplatz.

Nach dem großen Einkauf, noch den letzten Sack Eis in der Truhe verstaut, per Funk bei Nassau Harbour Control abgemeldet und dann abgelegt. Ziel Gorge Town Exumas. Kurs Süd mit einem Bogen um die Korallenköpfe der White and Yellow Bank. Der angepeilte Ankerplatz, Allens Cay, war mit vier Schiffen schon belegt, sodass es nur bis hinters nächste Riff ging. Man ist hier nicht mehr allein am Ankerplatz. Neben ein paar Seglern fallen vor allem die Monster von Motoryachten auf. Zwei Neuerungen bemerke ich an ihnen:

1.       Die Beiboote sind inzwischen so groß, dass sie nicht mehr an Deck gestaut werden können oder in die Garage passen. Sie werde jetzt an langen Schleppleinen nachgezogen und fahren die letzten Seemeilen zu den Ankerplätzen selbst.

2.       Vom dritten oder vierten Bootsdeck wird vor Anker eine steile Rutsche mit Hilfe von Druckluft aufgebaut, um die Langeweile mit den dauernd zur Verfügung stehenden Bade- und Schwimmuntensilien oder der Menge vorhandenen Jet Skies durch eine neue Nuance des Kitzels zu vetreiben. Die Jet Skies sind vor allem für uns andere Ankerlieger ausgesprochen lästig.

 

Am Morgen waren die Ankerlieger in Allens Cay fort und Platz für uns. Es wurde gleich das erste Bahama Klischee, mit Palme am Strand und noch dazu allein, erfüllt. Da hier endemische Leguane leben, werden die kleinen Sandstrände der Insel von den hoch motorisierten Touristenbooten, selbst aus Nassau, noch angesteuert. Alles stürzt sich auf die Leguane, die wiederum inzwischen so angefüttert sind, dass sie in Scharen aus den Mangroven kommen. Um den Rückweg bei Tageslicht zu schaffen, sind die Boote vor Sonnenuntergang wieder weg und es tritt Ruhe ein.

Noch vor dem Sonnenuntergang hebt aus den Mangroven ein Vogelkonzert an. Mit dem Sonnenuntergang und dem Sundowner stelle ich mir die Frage, warum ich eigentlich plane, den nächsten Winter mit dem Schiff im Mittelmeer zu sein, wenn man das hier haben kann. Der bisherige Plan braucht da wohl eine Überarbeitung.

 

Nächster Stopp Warderick Wells Cay mit dem Hauptsitz des Exuma Cays Land and Sea Park, dem Nationalpark der Cays. Wegen Sylvester und Sonntag, war das Büro nicht mehr über Funk erreichbar und damit auch keine Mooring zu reservieren. Es wurde weiter draußen geankert. Neujahr war dann die sympatische Stimme über Funk zu vernehmen, wie sie die Moorings für den Tag verteilte. Wir landeten mit dem Dinghy an und lernten die aus Rumänien stammende agile Frau persönlich kennen. Der Inselausflug brachte uns auf den Boo Boo Hill. Da geht es so ähnlich zu, wie mit der Bemalung der Hafenmauer in Horta/Azoren. Jeder Segler bringt etwas Strandgut mit auf den Hügel, versieht es mit dem Schiffnamen und lässt es mit der Bitte um guten Wind und ruhige See zurück. Das sammelt sich. Unabhängig davon hat man einen Blick über die verschiedenen Wasserfäbungen zwischen den Flachs der Exuma Cays im Westen und den blauen Atlantiktiefen im Exuma Sound im Osten.

Die Moorings selbst liegen in einer natürlichen Rinne, während rings herum das Wasser mit starker Strömung zur Ebbe abläuft. Mit Slack Tide ist es dann möglich vom Schlauchboot aus im Korallengarten zu schnorcheln. Das lohnt sich auf jeden Fall, ist aber durch den einsetzenden Tidenstrom zeitlich begrenzt. Ein Ammenhailässt sich vom Schlauchboot nicht stören. Jedoch nimmt ein Rochen Reißaus. Ansonsten sind einige bunte Rifffische zwischen den Korallenköpfen zu sehen. Es ist Vollmond und damit Springzeit. Der Tidenhub ist besonders hoch und der Vollmond macht es möglich nachts bis auf den Meeresgrund zu sehen oder tags den eigenen Anker oder die Kette.

Die nächste Front ist im Anmarsch und es heißt in den nächsten Tagen einen geschützten Liegeplatz zu finden. Die Wahl fällt auf das Hurrikan Hole der Safe Harbour Marina auf Cave Cay. Vor der schmalen Zufahrt liegt eine Barre mit 1,80 Meter. Die ist für uns nur bei Hochwasser zu passieren. Mit der Springzeit kein Problem. Nur ist das Hochwasser vor Anker liegend abzuwarten. Es passt und wir rutschen in der abgeschlossenen Bucht an den Steg. Am späten Nachmittag und zur Nacht faucht der Wind dann los. Ein paar Schauer gehen auch nieder. Das Schiff liegt sicher und die Waschmaschinen und das Wasser sind frei. Dafür ruckelt das WiFi ordentlich. Um uns liegen einige große Motorboote, die ebenfalls hier Zuflucht gesucht haben. Der südafrikanische Bootsmann des Nachbarschiffes weiß natürlich um den Namen Tshotsholoza. Für ihn ist es die heimische Rubgymannschaft. Ansonsten scheint die Insel eher eine fehlgeschlagene Geldanlage zu sein. Die um die Bucht verstreut liegenden Häuser sind alle leer, bis auf das vom Inseleigner und den Angestellten. Einige rostende Baumaschinen stehen herum und noch reichlich Material, um weiter zu bauen. Alles steht wohl zum Verkauf. Nach zwei Tagen vor Ort geht es, bevor die nächste Front anrückt, im Exuma Sound wieder Richtung Nord. Mit schäumender Welle und reichlich Strom laufen wir in den Cut vor Staniel Cay und ich umkurve mit feuchten Händen die Flachs, um in der schmalen Rinne zu bleiben.

Der Anker fällt in Lee der schützenden, kleinen Inseln vor der Marina. Mit dem Dinghy geht es auf die Suche zum ausgeschriebenen Supermarkt „Pink House“. Wobei er Supermarkt hier genau so ist, wie die bereits auf anderen Inseln gesehenen, außerhalb von Nassau. Weit entfernt von den Bildern, die eine Bezeichnung Supermarkt in unseren Köpfen hervorruft. Ein unscheinbarer kleiner Flachbau. In diesem Fall pink gestrichen. Sonst aber von außen nicht als Geschäft erkennbar. Die wenigen Fenster vergittert. Hinter der schmalen Eingangstür öffnet sich ein Raum. Umsäumt von Regalen an den Wänden und geteilt durch drei Regale in der Mitte. Darauf, mit System aufgebaut, die Bereiche Tee und Kaffee, den Gewürzen und die Nährmittel. Den Abschluss bilden die Lebensmittelkonserven. Es folgt das Regal mit Reinigungsmitteln und Haushaltspapier. Ganz hinten das Getränkeregal, wobei die Alkoholika separat verschlossen sind. Nach der kleinen Runde steht man vor dem Kühlschrank mit Milcherzeugnissen und Saft. Daneben frisches an Tomaten, Gurken, Zwiebeln und Kartoffeln. Am Ausgang ist dann der Tresen mit der Chefin selbst, der Waage und der Kasse. Alles auf 10 x 10 Meter.

Begrüßt werden wir so, als wären wir schon einmal da gewesen. Bei den Preisen einiger Artikel fragen wir nach, da wir es kaum glauben können. Die Dose Kaffee für 12$, die halber Gallone Milch 6$. Die Flasche Weißwein für 30$ bleibt stehen. Trotzdem kommen für ein paar Kleinigkeiten (aus unserer Sicht) schnell über 140$ zusammen. Klar, alles wird eingeflogen oder kommt mit dem Postschiff. Nur das Bier in der Bar der Marina ist mit 4,70$ etwas günstiger, als in der Marina in Nassau mit 5$.

Zur Nacht zerrt es dann mit 6 Bft. am Anker und es regnet die ganze Nacht heftig. Die Aussichten sind nicht besser und so rutscht die Stimmung auf einen Tiefpunkt. Ein vorzeitiger Rückflug wird erwogen, würde aber mit je 1000€ zu Buche schlagen und scheidet daher aus. Dazu muckt der Außenborder. Den verschmutzten Vergaser und seine Düsen wieder frei zu bekommen dauert fast den ganzen Tag. Der Landausflug heute ist damit auch ausgefallen, was die Stimmung nicht hebt. Die Hoffnung auf Besserung bleibt.

Die kommt auch mit den ersten Sonnenstrahlen und es wird ein schöner Törn zurück in den Exuma Nationalpark. Es gibt für uns sogar noch eine freie Moorig im North Channel vor dem Hauptquartier der Parkverwaltung.

An der uns zugeteilten Boje hängt schon ein Katamaran. Beim Versuch das Manöver in tieferen Teil des engen Kanals zu retten und an einer anderen Mooring festzumachen, geht es vollends in die Hose. De Leinen sind zwar fest, aber der starke Tidenstrom treibt uns über die Mooring, die jetzt hinter dem Kiel hängt. Die Analyse mit der Tauerbrille unter Wasser bestätigt die Vermutung. Dier Befreiungsstrategie sieht vor, den Bug mit dem Bugstrahlruder in den Tidenstrom drehen und mit der Maschine so weit vorwärtsfahren, dass die Boje zwischen Kiel und Propeller durchrutschen kann. Der Tidenstrom sollte dann den Rumpf in die freie Richtung abdrehen. Vor allem mit der Maschine vorsichtig, sonst hängt anschließend die Mooringleine im Propp. Hilfreich taucht ein Segler in seinem Dinghy auf und schiebt ebenfalls den Bug in die richtige Richtung. Mit einem plätscherndem Plopp taucht die Mooringboje wie geplant auf und wir sind frei und fest. Vom Dinghy wird gleich noch die Einladung zum abendlichen „Social Meeting“ der Segler vor Ort am Strand ausgesprochen. Man trifft sich zum Sundowner. Small Talk, woher und wohin. Solange das Wetter hält, Schnorcheln im Riff Garten und ein Spaziergang auf der trocken gefallenen Sandbank, bevor es weitergeht und der Regen wiederkommt. Das tut er dann auch mit Macht. Es schüttet wie aus Kübeln auf der Schlussetappe und dem Ankermanöver vor Allens Cay. Im Schiff ist die Luftfeuchtigkeit zum Greifen, da alle Luken zu sind und die nassen Sachen im Schiff hängen. Es geht wegen des Wetters einen Tag früher als geplant zurück nach Nassau. Keine Stunde zu früh sind wir fest, als es wieder sinnflutartig zu regnen beginnt und heftige Gewitter über das Schiff ziehen. Nicht der gewünschte Abschluss des Törns.