Bevor der neue Törn Richtung Cuba starten konnte, musste ich mein Visum für die Bahamas verlängern lassen. Lt. Auskunft beim Einklarieren ist das ohne Probleme und Gebühr möglich. Das Büro im Hafen schickte mich zum, Kreuzfahrtanleger. Auf dem speziellen Tourimarkt davor war schwer Betrieb. Drei Kreuzfahrer hatten angelegt. Da das Immigration Büro hinter der Absperrung liegt, in die man nur mit einer Karte für Kreuzfahrer kommt, war der erste Akt dem jungen Wachmann am Tor mein Anliegen klar zu machen und auch ohne „All-Inclusive-Ticket“ am Hals Durchlass gewährt zu bekommen.

 Im Haus sandte man mich freundlich immer wieder in das nächste Büro, bis ich alle durch hatte und der Gang zu Ende war. Ein Blick in meine Papiere von der Dame im letzten Büro und mir wurde erklärt, dass ich hier falsch sei. Mein Anliegen würde nur im Hauptquartier bearbeitet. Auf meine Frage, wo das den sei, bekam ich einen Zettel mit der Adresse. Auf die Frage, wie man denn dort hingelange, war die Antwort, mit dem Taxi.

Ich war nun aber schon die zwei Kilometer von der Marina zum Kreuzfahrtanleger gelaufen, erwähnte das und meine Absicht auch zum Hauptquartier zu laufen. Ungläubige Blicke bei den beiden anwesenden Damen am Schreibtisch und dem jungen Mann auf der Bürocouch. „It’s far away and upon the hill“. Na so groß ist der Ort nun auch nicht, als dass ich mir das nicht zutraute. Unstimmig waren die Anwesenden sich darin, wo denn die Straße nach rechts auf den Hügel von der Hauptstraße abging; bei oder vor der Tankstelle. Nach einigem Disput war die salomonische Antwort: „Somewhere near the petrolstation you have to turn right“. Na dann mal los.

 Es war vor der Tankstelle und es ging ordentlich den Berg hoch. Inzwischen war es auch schon Mittag und entsprechend warm. Durchgeschwitzt und schnaufend stand ich vor einem mehrstöckigen Verwaltungsgebäude. Es herrschte reges kommen und gehen. Noch in der Eingangstür stand ein Tisch mit einer dicken Kladde und einer Uniform dahinter. Er müsse mich und mein Anliegen eintragen. „Visa extension? Third floor! But now it’s closed. They will open again in three hours.“ Ich sackte wohl an seinem Tisch sichtlich etwas zusammen. Der freundliche Kollege bot mir wenigstens einen Sitzplatz in einem Wartebereich an. Dort konnte man sich den Schweiß von der Klimaanlage frosten lassen und nebenbei alte US Comedys im Fernsehen über sich ergehen lassen. Als ich nach einer halben Stunde zu frieren begann, war das das Zeichen zum Aufbruch. „See you back on Monday.“

 Montag um 9 Uhr erklomm ich wieder den Hügel. Eintrag am Eingang und in den dritten Stock. Der Schacht für einen Aufzug war mit einer Brettertür vernagelt. Um den Schacht wand sich das Treppenhaus. Die Stiege war wenig breiter, als meine Schultern. Dafür herrschte ein reges Treiben auf und ab. Passagen aneinander vorbei waren möglich, jedoch dicht an dicht. Mehrmals musste ich jedoch den geordneten Rückzug antreten. Immer dann, wenn sich der nächste Treppenwinkel verdunkelte. Das war das Zeichen dafür, dass von oben jemand kam, deren oder dessen Körperfülle, die gesamte Treppenhausbreite für sich einnahm. Dann war es selbst in den Ecken zu eng. Es waren bis in die dritte Etage einige Kaliber unterwegs. Jeder Etagenabsatz diente zugleich als Warteraum. Bestuhlt mit einem bunten Sammelsurium von Sitzmöbeln. Jedoch weniger, als benötigt. Wer weiter hoch oder runter wollte bahnte sich seinen Weg durch die Wartenden. Jeder der kam, grüßte mit einem lauten „Good Morning“, was murmelnd von allen erwidert wurde. Bekannte klatschte sich ab. Ich wurde meinen Pass und die Schiffpapiere an einem Schalter los und bekam dafür einen Fragebogen auf einer Holzkladde zum Ausfüllen. Für Ungeübte ist es nicht ganz so einfach, freihändig im Stehen zu schreiben. War sicher keine Schönschrift. Dann hieß es warten; sie werden aufgerufen. Irgendwann ergatterte ich auch einen Stuhl. Links die Dame hatte ein Format, dass sie ihren Stuhl mehr als voll beanspruchte. Just in dem Moment, als die schlanke Damen rechts von mir aufgerufen wurde, erschien auf der Etage, laut schnaufend und prustend, eine Frau derentwegen das Treppenhaus sicher geräumt worden war. Mindestens in meinem Alter und komplett in hellblauem Leder. Von den Stilettos, über die Bardothose, die Bluse und die Jacke, alles hellblaues Leder. Selbst die langen Fingernägel waren hellblau, allerdings weiß abgesetzt. Wie schon geahnt steuerte sie den leeren Platz neben mir an und ließ sich nieder. Ich wagte kaum zu atmen, so eng wurde es. Der eben abgekühlte Schweiß trat mir wieder auf die Stirn. Sollte ich jetzt aufgerufen werden, ich hätte nicht folgen können. Ich war eingeklemmt. Die Spannung löste sich, als die Frau links neben mir vor mir dran war. Mein Aufruf führte mich in ein Büro zum Stempelinhaber für Visa Verlängerungen. Sehr freundlich. Sein Büro hatte jedoch die Temperatur eines Iglus, jedenfalls wenn man von draußen kam. Da sich die Prozedur etwas hinzog, wären Mütze und Handschuhe angebracht gewesen. Ich habe mich gefragt, wie der Mann hier einen Tag lang ohne Frostschäden arbeiten kann. Erst spät kam mir die Erkenntnis, dass die lange Mittagspause von drei Stunden wohl dem Aufwärmen dient.

Ab nach Allens Cay und geankert. Heute setzten wir spät zum Strand über. Alle Touristenboote waren schon fort. Die Leguane hatten wohl ihren Arbeitstag auch beendet. Sie hatten nur die Strandwache von einem Tier zurückgelassen. Na gut, auch den gesehen.

Nächster Stopp Exuma Nationalpark. Immer wieder ein Erlebnis von Wasserfarben und Licht.

Habe ich mich gewundert, warum im Waterway Guide Bahamas, aber auch in den Explorer Charts Kapitel über Funkdisziplin und Flaggenetikette nötig sind. Im Funkverkehr mit der Exuma Park Verwaltung und den gesetzten oder auch fehlenden Flaggen der einlaufenden Schiffe findet sich die Erklärung. Der alte Spruch am Funk: „Erst hören, dann senden“, ist wohl nicht Teil der Funkausbildung aller. Dass es gute Sitte ist eine Gastlandsfahne zu setzen, sollten auch Teil der Ausbildung sein. Einigen Schiffen war es wichtiger zu zeigen woher denn die Chartercrew stammte oder wie gern man Pirat geworden wäre. Über allem thronte aber „Amerika First“.

In Big Majors Spot sollten es noch einmal die „schwimmenden“ Schweine sein. Nur, auch heute schwimmt hier kein „Schwein“, wenn man mal von einigen Touris absieht. Die Schweine hatten ihr Tagwerk an den Touristen mit dem Feierabend schon beschlossen und waren an uns nur noch mäßig interessiert. Die Ankerbucht war noch voller, als beim letzten Besuch. Über 30 Segler und knapp 20 Motorboote der größeren Art.  Die größte Gruppe stellen die Kanadier, gefolgt von den Amerikanern.

Dazu kam noch ein landendes Wasserflugzeug, das praktischerweise gleich bis auf den Strand vorfuhr. Nach 20 Minuten hub es zwischen den Ankerliegern wieder ab. Ein kleine Runde und vor dem Restaurant der Staniel Cay Marina wieder gewassert. Der Jetset schwebte ein.

Dafür wurde uns bei der Dorfrunde gezeigt, wie man die großen Schnecken ausnimmt. Mit einem Hammer ein Loch in Höhe der dritten Windung des Schneckenhauses schlagen. Mit einem scharfen schlanken Messer durch das Loch die Schnecke von Gehäuse trennen und nach unten herausziehen. Vom Muskelfleisch des Fußes alle Innereien abschneiden. Die schwarze Haut einschneiden und über die Schnecke abziehen. Alles noch ein bisschen verputzen. Viel bleibt von der großen Schnecke in ihrem Gehäuse nicht übrig. Dafür bekommt den Abschnitt der Ammenhai, der sich am Schlachttisch einfindet.

In der Bar der Staniel Cay Marina liefen auf einem großen LED-Fernseher die olympischen Winterspiele in Pjöngjang. Es wurde im Schnee von der Schanze gesprungen, durch die Loipe gerannt und geschossen, während wir im T-Shirt und kurzer Hose hausgemachte Limonade mit viel Eis tranken. Vor der Marina liegt die Thunderball Grotte. Im gleichnamigen James Bond 007 Film ist wohl Sean Connery hier durchgeschwommen. Damit darf die Marina offensichtlich aus Lizenzgründen nicht werben und so haben sie die schwimmenden Schweine in die Welt gesetzt, die sie plakatieren. Jedenfalls gibt es die Grotte tatsächlich. Eine Höhle in einem kleinen Felseiland mit einem Loch von oben. Zugänglich bei Niedrigwasser mit Brille und Schnorchel. Es geht aber auch bei slack tide noch ordentlich Strom durch den Zugang. Im Licht von oben stehen in der Höhle viele bunte Korallenfische, die bereits so angefüttert sind, dass sie keine Scheu vor dem Taucher haben. Wie im Aquarium. Der dickste Fisch ist man selbst.

Die Menge der Ankerlichter in der Bucht sahen zur Nacht aus, wie die Lichter von Manhattan.

Mit der Entscheidung nicht nach Georgetown zu segeln, sondern auf der westlichen Seite von Great Exuma Island zu bleiben, ist der weitere Weg nach Kuba klar. Es geht über die Flachs der Großen Bahmabank zu den Jumentos Cays und Ragged Islands und nicht außen herum um Long Island. Ich habe eine Weile mit der Entscheidung gerungen, abseits der Trampelpfade der Bahamas in den Exumas, mit 2,30m Tiefgang um die Flachs und Korallen der Galliot Bank und den Jumentos Islands zu kurven. Es ging besser, als gedacht (befürchtet). Waren wir anfangs allein an den Ankerplätzen, so waren in den Ragged Island doch mehr Segler unterwegs, als vermutet. Vor Flamingo Cay ankerten außer uns weitere fünf Schiffe. Gerade hier waren zahlreiche Korallenfische schon vom Schiff aus zu beobachten. Sie balgten sich vor allem um die Küchenabfälle. Alles wurde verputzt. In der oberen Wasseretage die Vegetarierer, weiter unten die Fleischfresser (völlig wertfrei). Das türkisfarbene Wasser über der Bank färbte die Unterseiten der Wolken entsprechend ein. Gleichwohl ist diese Ecke kein Revier bei einen Norder. Es gibt nur wenige Ankerplätze mit Rundumschutz. Der Generator hat inzwischen leider völlig seine Mitarbeit eingestellt. Der Diesel läuft, es wird aber kein Strom produziert. Ursache unklar. Evtl. ist eine Wicklung durch. Das würde bedeuten, dass ganze Ding raus muss. Bisher habe ich mich gescheut, mit Messungen der Wicklungen der Ursache auf den Grund zu gehen. Ist mit Bordmitteln eh nicht zu reparieren. Leider rächt sich in dem Zusammenhang, dann doch, dass der zu Hause liegenden Sterling Regler nicht schon längst an der Lichtmaschine des Motors montiert wurde, damit die Bordbatterien über diesen Weg ordentlich geladen werden. Der nächste Besuch bringt einen mit. An Bord herrscht inzwischen seit längerem das „Halbachtsyndrom“. Spätestens dann überlegt der Erste laut, ob es denn nicht schon Zeit sei, in die Koje zu gehen. Später als neun Uhr wird es nie. Dafür wird das Schiff mit Sonnenaufgang wieder munter. Es geht dann doch los in Richtung Cuba.

 Auf wenigen Metern sackte die Anzeige des Echolots von eben noch 5 m ins bodenlose auf über tausend Meter ab. Das Wasser färbte sich von Türkis in blau-schwarz um. Es waren schnelle 74 Meilen von Hog Cay, dem letzten Ankerplatz auf den Bahamas, hinüber nach Cuba in die Bahia Vita. Da Sonntag war und damit der Doktor nicht in der Marina, durften wir nicht anlanden, sondern mussten vor der Marina Vita über Nacht ankern. Mit all den Tierlauten rings aus den Mangroven ein Ankerplatz, wie mitten im Zoo. Die ruhige Nacht ließ Gelegenheit ein Resümee der Bahamas zu ziehen. Am beeindrucktesten waren das Licht und die Wasserfarbe. Mindesten die Hälfte der Attraktivität der Bahamas liegt unter Wasser. Anders als auf den karibischen Inseln, gibt es wenige Highlights an Land. Die Leute sind ausgesprochen nett und entspannt. An den Ankerplätzen der Hot Spots ist man natürlich nicht allein. Es verläuft sich aber. ohne lästig zu sein. Mit 2,30 m Tiefgang gilt es an einigen Flachstellen besonders aufmerksam zu sein. Einiges ist nicht anzulaufen. Problemlos ausreichend versorgen kann man sich eigentlich nur in Nassau. Der Großeinkauf erscheint einem erst einmal sehr teuer. Da aber unterwegs an den Ankerplätzen nichts mehr dazukommt, relativiert sich das. Wettertechnisch muss man immer einen Blick auf anstehende Norder oder Starkwindtage haben, um dann an einer geschützten Stelle zu sein. Für mich ein Revier, um wiederzukommen.

Am nächsten Morgen nährte sich unserem Ankerplatz ein Motorboot aus der Marina. Wir sollten folgen. Ohne Artbesuch? Der stand mit der restlichen Obrigkeit, quasi als Empfangskomitee, auf dem Steg. Am wildesten schwenkte jedoch Jane die Arme zur Begrüßung. Die gute und umtriebige Seele der Marina. Wir wurden wegen des Schiffsnamens wiedererkannt und herzlich begrüßt. Die Einklarierung verlief problemlos. Vor allem, weil niemand nach Ausklarierungspapieren der Bahamas fragte, die wir nicht hatten. Auf den Ragged Island gibt es keinen Port of Entry, um sich abzumelden. Ausführlich wurden wir auf eine neue kubanische Zollregel hingewiesen. Von 08.00 Uhr bis 17.00 Uhr hätte der Beamte Dienst. Sollten wir in dieser Zeit mit mehr als unserer Bekleidung am Körper, einem Telefon und einem Fotoapparat, also z.B. mit einer Tasche für einen längeren Ausflug auf die Insel, die Marina verlassen wollen, dann hätten wir diese Tasche bei ihm zu Kontrolle vorzuzeigen. Selbstverständlich könnten wir auch vor 8 und nach 17 das Gelände verlassen. Dann aber ohne Kontrolle. Verwunderte Blicke auf meiner Seite, intensive Nachfrage, ob wir das verstanden hätten auf der anderen Seite. Haben wir! Inzwischen war auch der Schnüffelcocker durch das Schiff gestromert. Dessen Ausbildung muss seit dem letzten Jahr erweitert worden sein. Da waren es noch zwei Hunde. Je einer für Drogen und einer auf Waffen. Wir hatten weder noch und waren damit einklariert. Küsschen links und Küsschen rechts auf dem Steg von Jane und herzlich Willkommen zurück. Da es in diesem Jahr keine abendliche Mückeninvasion biblischen Ausmaßes gab, wie im letzten Jahr, machte die Marina noch sympathischer.

Am nächsten Tag stand die Taxifahrt zum nächsten Geldautomaten an. Aus Erfahrung um die Versorgungssituation auf Cuba, das verbunden mit einem Abstecher zu den Verkaufsständen der Gemüseanbaukooperativen an der Straße nach Holguin. Der Brotengpass wurde mit den bisher gesammelten eigenen Brotbackerfahrungen ausglichen. So ausgerüstet konnte der Törn nach Havanna losgehen.