Herzlich Willkommen auf Cuba!

Während zur Nacht die letzten Kuhreiher in den Mangroven ihre abendlichen Streitereien aufgegeben haben und nur ab und an ein Vogel noch schlecht träumt, halten die Moskitos durch und morgens steht die Obrigkeit schon wieder am Schiff. Der Kapitän wird im Marinabüro erwartet. Die nette Dame klärt über das weitere Procedere, die Gebühren, das Hafengeld, die zwei Währungen auf Cuba (CUC und Peso) und das Anlandeverbot an den geplanten Ankerstopps bis Varadero auf. Über sie geht alles nur in Cash und in der Touristenwährung CUC.

 

 Es hupt, unser Taxi in die Stadt, nach Santa Lucia, ist da. Volles Cuba Klischee. Ein `59 Dodge in rot-weiß. Wir werden um jedes Schlagloch herum in die Stadt geschaukelt. Was ich immer schon meine, neben der Bremse ist das wichtigste Teil am Auto die Hupe. Sie kommt immer wieder zum Einsatz. Grundsätzlich wird jeder Polizeiposten am Straßenrand angehupt. Mal der Kumpel im Gegenverkehr. Dann aber auch die Vorfahrt durchgesetzt. Auf den Straßen geht es zu, wie in Rumänien (auch Klischee). Jeder, der nicht läuft, ist mit einem Pferdefuhrwerk unterwegs.  Deutlich langsamer und muss auch angehupt werden.

 Stadt ist dann auch relativ.  Viele kleine Häuser, ein bisschen sozialistischer Wohnungsbau, eine Poliklinik, diverse Schulen, Polizei und Bücherei. Erst einmal zu einer der beiden Banken. Nach diversen Versuchen spuckt der Geldautomat was aus. Das wiederum freut den Taxifahrer. Der Kredit kann abgelöst werden. Jetzt zum „Supermercado“. Schrilles Lachen im Taxi. „Super in Cuba? No! Mercado si.“ Wir werden vor einem kleinen Haus, a`la Intershop, abgeladen. Vor der Tür drängeln sich die Frauen recht handfest um Zugang. Der wiederum wird von innen bewacht. Eine Klinke von außen gibt es nicht. Wenn jemand herauskommt, darf die Nächste hinein. Der Zerberus an der Tür kennt aber auch die Frauen. Küsschen links und rechts und einige sind schon drin. Nachdem ich ein paar Mal übergangen wurde, baue ich mich recht breitschultrig vor der Tür auf. Ich wäre der Nächste, der den Pförtner küsst. Ein angestrengter Blick durch die trüben Scheiben erspart uns beiden aber das Kennenlernen. Die eine Hälfte des Geschäfts Bekleidung und Haushaltswaren, wobei wohl gerade Turnschuhe der Renner sind, die andere Seite ein Tresen mit Konserven und Alkoholika, sowie einer Tiefkühltruhe. Nicht gerade das, was ich für die Verproviantierung des Schiffes erwartet hatte.

Irgendwie kommt einem die Atmosphäre im Ort bekannt vor. Ein bisschen DDR Sozialismus. Junge Schüler mit Pionierhalstuch und im Verband geordnet unterwegs.. Die Älteren in Schuluniform. Bei einigen hängt aber die kurze Hose schon verdächtig weit rappermäßig in den Kniekehlen, wie gleichermaßen bei den Mädels der Rocksaum gen Hüfte tendiert. Die gegelten Provos aus der Abschlussklasse fallen besonders auf. Die aufgestellten Stadtmöbel aus Beton. Viele kleine Kioske, die jetzt, zur Mittagszeit, kalte Säfte und Sandwiches anbieten. Schüler und Angestellte aus der Poliklinik stehen in Schlangen davor. Mit ein bisschen Freigabe der Privatinitiative scheint der Fuhrbetrieb das Mittel zur Selbstständigkeit zu sein. Hierarchisch die einfachste beobachtete Form ist ein Fahrrad mit Holzsattel vorn auf dem Holm und einem Polster auf dem Gepäckträger. Platz für zwei Kunden. Dann eine Fahrradrikscha. Mit Platz für vier. Dann kommen die Pferdekutschentaxis mit bis zu acht Plätzen. Top sind die Oldtimer. Da sitzen dann aber die Touristen drin.

 Mit unserem Taxifahrer hatten wir uns für die Rückfahrt am zentralen Platz verabredet. Schattensuchend standen wir unter den Bäumen warteten und beobachteten das Leben. Nach ein paar Minuten gehörten wir zum Stadtinventar. Jeder der vorbeikam oder auch im Schatten auf Mitfahrgelegenheit oder Verabredung wartete grüßte und es gab in Ansätzen ein bisschen „Small-Talk“. Aus einem Mauertor, schräg gegenüber, tauchten die ersten Leute mit einer roten Flüssigkeit in mitgebrachten Plastikflaschen auf und zogen mit ihrem Schatz ab. In minutenschnelle musste sich herumgesprochen haben, dass es hier etwas Besonderes gab. Aus allen Himmelsrichtungen strebten plötzlich die Leute mit leeren Flaschen dem Tor zu. Zu Fuß, mit dem Rad und auch eine Pferdekutsche wird schwer eingebremst. Die Ersten hatten noch Glück. Die Späteren mussten enttäuscht abziehen.

 

Da wir die Info aus der Marina hatten, dass in einer Hotelanlage eine weitere Einkaufmöglichkeit existiert, ließen wir uns erst dahin fahren. Ein Abbild des ersten Ladens. Ausbeute ein Kasten Bier und ein Stück Butter.

 In Summe, keine einfache Versorgungsituation auf Cuba.

 Aber auch hier die Marina sehr bemüht. Jetzt haben wir eine Wunsch-/Bestellliste im Büro abgegeben, mit der Hoffnung und Zusage, dass vieles besorgt werden kann.

 

Der Tag heute war sonst Wartung und Pflege. Der Zahnriemen im Generator sieht noch sehr gut aus, Neue Impeller in die Wasserpumpen von Generator und Hauptmaschine eingesetzt. Schlauchbootpflege, bis die Gummiente plötzlich am Steg „Pfee“ macht und heftig Luft verliert. Ein Schlauch völlig platt. Eine undichte Verklebung genau im Übergang von Schlauch zum Heckbrett für den Außenborder. Die Ecke hat sich völlig aufgelöst.

 

Es reißt einfach nicht ab.

 

Neues Schlauchboot auf Cuba natürlich Fehlanzeige.

 Morgen werde ich mal versuchen alles zusammen zu mumpen, damit es wenigstens bis in die Staaten hält.

 Ansonsten der täglich und vor allem nächtliche Kampf gegen die kleinen schwarzen Biester, die stechen und jucken, wie Sau.

 

 

 

 

Ich kann das Ergebnis vorwegnehmen: Das Schlauchboot hat irreparabel seinen Geist aufgegeben.

 Über allem kreisen die Geier. Nicht im metaphorischen Sinn, sondern leibhaftig, schwarz und rotköpfig ziehen sie ihre Bahn über der Marina.

 

Ein Ausflug nach Holguin bringt auch keine Verbesserung der Verproviantierungssituation. Die sehr nette und hilfreiche Dame aus dem Marinabüro will versuchen, unsere Wunschliste bis zur Weiterreise abzuarbeiten. Im kleinen Laden in der Marina gibt es neben Rum, Bier und Brause nur Nudeln und drei Packungen Saft. Das sichern wir uns schon einmal. Aus dem Fundus der Restaurantküche kommen zwei gefrorenen Hühner, lose Butter, ein Stück Wurst und Käse, sowie eine Packung Kaffee.  Milch und Eier sind nicht. Brot bringt sie drei aus ihrem Wohnort mit. Dazu den Tipp, dass am Samstag der Tag zum Einkauf auf dem Markt in Santa Lucia sei. Alles da, alles frisch. Unser Einkaufstrupp ist am Samstag dabei. In der Erfahrung muss man die eigenen Erwartungen   deutlich herunterschrauben und die Aussagen zum Angebot mit der täglichen Lebensrealität der Kubaner relativieren. Wir werden nicht verhungern und gekocht wird etwas aus dem, was zu kaufen war: Tomaten, Kohl, Zwiebeln, rote Beete, Mango, Papaya, Ananas und Bananen. Im Angebot war auch frisch geschlachtetes Schwein. Die Teile fanden aber nicht den Weg aufs Schiff.

 

Der Weg zum Markt führte vorbei an vielen einfachen, z.T. sehr einfachen Hütten und Häusern der Landarbeiter. Ab und an Verkaufshütten für Obst und Gemüse der jeweiligen Kooperative. Vor der bewachten Marinaschranke, ein Straßendorf. Ein paar Schritte der Crew vor die Tür und schon gab es Kontakt zu den Einheimischen. Auch zu Ronny, mit der deutschen Fahne vor dem Haus. Kind deutsch/kubanischer Eltern und mit denen er mit 10 Jahren nach Cuba gekommen ist. So kam auch eine Stiege Eier in unseren Kühlschrank. Die Nachbarin der Nachbarin hatte welche zu verkaufen. Unsere ausgelesenen deutschen Bücher wechselten in die andere Richtung.

 

 

 

 Bei mir erzeugten die Eindrücke eine etwas befremdliche Stimmung. Grundsätzlich erst einmal alle Leute nett und entspannt. Gleichzeitig jedoch auch sofort dabei, wenn es, anscheinend oder real, etwas Besonderes gab. Roten Saft oder das Gedrängel an der verschlossenen Tür des Konsums. Das war in Holguin, weil, etwas größer, nicht ganz so krass. In Holguin dafür jedoch, neben den offiziellen Verkaufsstellen und Läden, einige, quasi in der Diele der eigenen Wohnung mit Zugang von der Straße, kleine „Läden“. Da saßen Frauen vor ein oder zwei Garderobenständern mit selbst genähter Kleidung oder gebrauchten Sachen im Angebot. Als ehemaliger Westberliner, und das noch mehr für die gelernten DDR Bürger in der Crew, gab es einige Wiedererkennungsmomente aus einer anderen Zeit. Parallel dazu waren die Treppen um das örtliche Haus der Telefongesellschaft mit jeder Menge Menschen bevölkert, die alle ihre Handys im Anschlag hatten, um das WiFi zu nutzen. Dann wieder, auf der Überlandfahrt, die Campesinos an den Straßenrändern im Overall und Gummistiefeln, mit der Machete in der Hand und dem Strohhut, wie ein Cowboy, auf dem Kopf. Der Mann, der die Furchen in den Acker mit einem Ochsenpflug zieht. Das sieht für uns nach Folklore aus, ist aber Lebensrealität. Cuba zwischen DDR Sozialismus und Moderne.

 Vor dem Ausklarieren schnell noch an die Tanke. Leider gerade kein Strom, um die Zapfsäulen zu betreiben. Na gut, der Sprit im Tank reicht noch aus. Der Hafenmeister muss noch her, um die restlichen Papiere auszustellen und sein Okay zum Auslaufen zu geben. Die weibliche Crew hätte den jungen Mann gern unter „Artenschutz“ gestellt. Sehr jung, sehr adrett in seiner Uniform, sehr höflich, etwas schüchtern, aber auch bestimmt in den Ansagen zu den Verhaltensregeln für den weiteren Törn. Ankern ja, an Land gehen nein, außerhalb einer Marina.

 Mit frischem ENE und bis zu 10 Knoten Fahrt nach Puerto Manati. Im ersten Versuch hielt der Anker nicht. Deshalb tiefer in die Bahia, bis vor den alten Anleger. Der Anker sitzt im letzten Tageslicht. Minuten später der Ruf von draußen, dass ein Ruderboot auf uns zuhält. Das Licht der Taschenlampe offenbart Uniformen im Schiff, keine Piraten. Die Obrigkeit rückt an. Zwei Mann und ein sichtlich erschöpfter Ruderer, da am Ankerplatz sowohl Wind, als auch Strom noch heftig zuschlagen. Die Papiere werden kontrolliert. Zum morgigen Auslauftermin wird darum gebeten, doch etwas näher ans Land zu kommen, der Ruderer ist jetzt schon fertig. Wir verabreden Ort und Uhrzeit. Mein Hinweis: „10.00 am, but not carriebean time“, wird mit allgemeinem Gelächter quittiert. Die Herren versprechen pünktlich zu sein. Kaum sind sie von Bord, beginnt wiederholt das weibliche Schwärmen. „Das war doch mal wieder was fürs Auge!“ Die Männer der Crew sind Luft, bis zur Bemerkung, dass die Haare doch wohl gegelt waren. Unisono bricht die weibliche Entrüstung los. Wir sehen uns das Morgen noch einmal an.

 Pünktlich um 10.00 Uhr nährt sich wieder das kleine grüne Ruderboot, während wir unsere Kreise vor der Mole ziehen. Die Papiere werden übergeben und wir dampfen ab.

 E bis ENE mit frischen 5 bis 6 Bft. wird in den nächsten Tagen unser Antrieb entlang der Nordküste Cubas sein. Geankert wird zur Nacht in geschützten Buchten hinter Inseln oder auch mal nur hinter einem kaum sichtbaren Riff. Das Wasser von leuchtend türkis bei Sandboden bis grünlich, wenn am Ufer Mangroven stehen. Abseits der sichtbaren Zivilisation. Ab und an ein Fischer, hin und wieder eine besetzte Station der Guarda Fronterea. Der Funkkontakt zu den Herren gestaltet sich ob beidseitig mangelnder Fremdsprachenkenntnisse (spanisch/englisch) durchaus schwierig. Allein der Schiffname treibt einen Beamten in die schiere Verzweiflung, da auch das Internationale Buchstabieralphabet nur in Teilen beherrscht wird. Als dann „Hotel“ durch „Habana“ ersetzt wird, klappt es im 5. Versuch besser. „Muchu mas complicado“. „Si Senior“. An Bord das Crewthema Nr. 1, ob denn unsere Vorräte auch reichen. Ein Mahi Mahi und ein Kingfish an der Angel entspannen dengefühlten Versorgungsengpass etwas.

Nach sieben Tagen steuern wir die Marina Varadero an. Der Seegang von 6 Bft. steht voll auf den überspülten Molen der Hafeneinfahrt. Mit Vollgas in den Hafenkanal gesurft. Die Marina hat seit meinem letzten Besuch 1995 auch schon bessere Tage gesehen. Nicht alle Klampen am Steg halten und auch nicht aus jedem Anschluss kommt Strom. Die Sanitäranlagen lassen den gewollten Zustand erahnen, allein die mangelnde Wartung macht sie morbide. Die Obrigkeit hat uns vor Ort schon erwartet und fertigt freundlich ab. In Summe sind mehr öffentlich Bedienstete in der Marina, als Segler.  Zur Weiterreise gibt es den Tipp, dass die Hafeneinfahrt der Marina Hemingway bei den herrschenden Seegangbedingungen gefährlich sein kann. Die Empfehlung ist, die Nacht hindurch zu segeln und mit der etwas schwächeren Morgenbrise dort einzulaufen. Wir werden das so machen. Pünktlich um 18.30 Uhr werden wir ausklariert. Von nur einem Beamten. Der Kanal von der Marina zur Mündung in den Atlantik führt an zwei Hotelklötzen vorbei. Von diversen Balkons winken uns ganze Familien zu. Ich denke, dass die denken, die realisieren ihren Traum, segeln in der Karibik, während ich an die Hafenausfahrt gegen Wind und Wellen denke. Vollgas und durch. Raus ist leichter, als rein.

 Im Morgengrauen schält sich die Skyline von Havanna aus der Nacht. Eine Ahnung von Manhattan. Der Wind ist tatsächlich eingeschlafen und so motoren wir ohne Probleme in die Marina Hemingway. Der jugendliche Armeevertreter ist im Tiefschlaf an seinem Schreibtisch, während der junge Mann der Guarda Fronterea meine Papiere klar macht. Der allergrößte Charmeur ist der Hafenkapitän Gabriel. Die Damen schmelzen quasi dahin. Oder lag es doch nur an der Aussicht auf einen funktionierenden Internetzugang? Offensiv fragen die beiden Beamten des Gesundheitsministeriums nach einem Tip. In der Marina  zum ersten Mal auf Cuba eine größere Ansammlung von Yachties. Die Versorgungslage ist aber auch hier nicht besser. Der örtliche Laden offeriert die gleichen Konserven, wie zuvor, nur die Biersorten sind aus Holland und Belgien. Beim Fleischer gibt es Käse und Wurst, je zwei Sorten. Da nehmen wir beides. Das letzte Huhn aus der Tiefkühltruhe geht an die Einheimischen. Bezahlt wird aber in der Touristenwährung CUC. Da werden wir wohl für die Verproviantierung für den nächsten Trip Gabriel in Anspruch nehmen müssen. Der hatte schon gestern Abend einem Taxifahrer meine leere Camping Gaz Flasche mitgegeben, incl. meinem amerikanischen Adapter und mir heute, fast gefüllt, als „Präsent from Cuba“ überreicht. Geld wollt er dafür nicht.