Ich will von Nassau aus zurück an den Ankerplatz von Lake Worth. Der Weg dorthin führt für mich nur über die Große Bahamabank. 75 sm ohne die Möglichkeit irgendwo in Lee einer Insel zu ankern. Erst kurz vor der Florida Straße bieten die Hen and Chicken Rocks oder Great Isaak eine Möglichkeit.Um teure Hafengelder zu sparen, geht es von Nassau aber erst einmal zurück an den Ankerplatz bei Rose Island.

Von dort schon einmal in die richtige Richtung bis nach Frazier‘s Hog Cay. Es sind für die Folgetage Böen bis 7 Bft. angesagt. Damit wird der Ankerplatz leider etwas „bumby“, denn die Dünung schiebt sich um die SW Ecke der Insel herum und steht damit quer zum Ankerplatz. Es schaukelt die ganze Nacht und den nachfolgenden Tag hindurch. Aber nicht nur die Kleinen haben Probleme. Ein dickes Motorboot hat sich vor seinen zwei Ankern verheddert und bekommt sie erst nach einiger Zeit mit Mühe wieder hoch. Zwischenzeitlich hatte ich schon Bedenken, dass sie sich bei den Manövern die Schleppleine ihres eigenen Beibootes in die Propps ziehen. Das wäre eine dicke Prise geworden, wenn ich sie dann mit meinem Schlauchboot abgeschleppt hätte. War aber nicht. Dafür haben auch weitere Ankerversuche nicht geklappt und sie sind in die Nacht entschwunden.

Für die Boote, die aus W kommen ist Franzer‘s Hog Cay die erste Möglichkeit auf den Bahamas einzuklarieren. Kostete es in Spanish Cay noch 50 $ nur zum Einzuklarieren anzulegen, so sind es hier schon 100 $. So sind es in die dicken Angelboote aus Florida, die dem Starkwind aus E trotzend, mit hochgehender Bugwelle in die Marina einlaufen.

Mit Sonnenaufgang nehme ich die Große Bahamabank in Angriff. Auf knapp 5 sm springt die Wassertiefe von über 1400 m auf 3,50 m. Der Wind weht mit 5 Bft. aus E und ich bin nach W nur mit der Genua unterwegs. Trotzdem geht es flott voran. Nur auflaufen oder einen Korallenkopf treffen sollte man bei diesem Kurs vor dem Wind mit bis zu 7 Kn nicht. Zwei Segler kommen mir auf halber Streck entgegen. Ein Kat unter Maschine und ein deutscher Segler, brav aufkreuzend. Beide müssen wohl schon die Nacht hinter sich haben. Das trifft sicher nicht auf die, mit röhrenden Maschinen, gegen die Welle anbolzenden, dicken Angelboot zu, die nach Frazer‘s Hog Bay wollen.

Mit dem letzten Licht habe ich Great Isaak erreicht. Der in der Seekarte eingezeichnete Leuchtturm steht tatsächlich, bleibt aber dunkel. Der Wind steht durch. Ich vermute mal, dass, bei der kleinen Insel, der Ankerplatz auch hier der Dünung aus E ausgesetzt ist und beschließe nach Lake Worth durchzumachen. Auf dem Kartenplotter zeigen mir die AIS Kontakte in der Nacht, dass ich von Kreuzfahrtschiffen umzingelt bin. Das erklärt die Menge der Lichter um mich. Wie ich den angezeigten Daten entnehmen kann, sind sie entweder auf dem Weg von Miami nach Nassau oder umgekehrt. Sie werden wohl am Morgen im entsprechenden Zielhafen anlegen. Es ist schon unglaublich, was an Kreuzfahrern durch die Gegend gebaggert wird. Im Golfstrom selbst sind es dann „nur noch“ die normalen Frachter, die meinen Weg kreuzen. Nach 150 sm in 24 h stehe ich vor der Einfahrt nach Lake Worth. Heftige Regenschauer begleiten mich zum Ankerplatz. Trotzdem ist es ein bisschen, wie nach Hause kommen.

Trotz meinem Schlafmangel steht der Einklarierungsprozess bei der Custom and Border Protection (CBP) noch an. Erst einmal das Schlauchboot aufbauen und an Land fahren. Die CBP sitzt hier im Abfertigungsgebäude der örtlichen Kreuzfahrtlinie. Zwei lange PKW Schlangen liefern die neuen Gäste für die 2-Tage Kreuzfahrt noch Freeport und zurück ab. Zwei Tage Dauerparty auf der Grand Celebration oder, alternativ, etwas gediegener, auf der Grand Classic.

Die Einklarierungsprozedur bestätigt meine inzwischen mit der Obrigkeit in den USA gemachten Erfahrungen. Erst einmal völlig unfreundlich, will mich der Beamte wieder fortschicken, da ich das alles erst einmal alles telefonisch anmelden soll. Mein Einwand, dass mein Crusing Permit abgelaufen ist und ich daher sowieso hier erscheinen muss, zählt nicht. Ich bin dabei, deutlich mürrisch, meine Unterlagen einzusammeln, als dann doch die Ansage kommt, alles da zu lassen und noch 19 $ zu zahlen. Alles wir dann wortlos abgeräumt. Nach einer guten Stunde ist hinter der Glasscheibe wieder Leben. Ich werde heran gewunken. Die Fingerabdrücke werden genommen und ich werde fotografiert. Inzwischen sollte mit diesen Daten über mich eine dicke Datei, um nicht Aktenordner zu sagen, existieren. Egal, ich erhalte mein neues Crusing Permim, ein Visum und einen Dollar Wechselgeld. Welcome back in the US. Ausschlafen ist jetzt angesagt.

Das Schiffchen der Franken ankert hier nicht mehr. Dafür liegt die Monstermotoryacht von Mark Zuckerberg immer noch an der Pier. Als ich dachte, heute legen sie ab, wird das Schiff an der Pier einfach nur umgedreht. Vielleicht war es der Eigner leid, dass ihm die Kreuzfahrer, von ihrer Pier daneben, von hinten in die Räumlichkeiten schauen konnten. Gelassen treibt neben dem Manöver ein Minikatamaran mit dem Namen „Adrenalin“ vorbei. Wenn das kein Schiffsname ist. Der Skipper hält aber nur gelassen seine Angel ins Wasser, während sich das Schiff einen Weg durch die Ankerlieger sucht. In den nächsten Tagen sind die Schauer einer durchziehenden Front angesagt. Ausreichend Zeit an Mensch und Material zu arbeiten. Für mich einen Kurzhaarschnitt. Am Schiff gehe ich die To-Do-Liste an.

Man sagt ja, dass die Amis ihre Projekte gleich in anderen Dimensionen angehen. Das bekommen sie wohl auch beim Wetter hin. Es hat jetzt fast ununterbrochen für 48h geregnet. Im Schiff waren alle Baumwollsachen feucht und klamm. Dafür wurde das Schiff außen komplett entsalzt und ich konnte das Deck schrubben.

Die Sonne scheint wieder und ich nutze den schönen Tag, um, Einkäufe zu erledigen.

Inzwischen weiß ich, wie das Bussystem hier funktioniert und nutze es gern. Von Jupiter im Norden, bis Boca Raton im Süden, von der Atlantikküste im Osten bis zum Lake Okeechobee im Westen ist man für 2$ die Einzelfahrt oder mit der 5$ Tageskarte unterwegs. Dazu können an jedem Bus zwei Fahrräder kostenlos mitgenommen werden. Es gibt im Netz deutlich mehr N-S Linien, als E-W. Dafür gibt es in den Bussen freies WiFi und immer eine freundliche Fahrerin oder Fahrer, die den Kunden mit einem Tagesgruß oder zumindest mit einem Kopfnicken begrüßen. Dafür bedanken sich dann auch viele Fahrgäste beim Aussteigen mit einem „Thank you“. Die Freundlichkeit beginnt schon an der Haltstelle. Die Wartenden begrüßen sich untereinander mindestens mit „High“ oder „How you doin‘ today?“, wobei die Antwort mindestens „fine“, wenn nicht ein „great“ ist. Es folgen noch zwei Bemerkungen über das Wetter und man ist im Small Talk. Es wird auch an der Haltestelle nicht gedrängelt, obwohl es keine britische Schlange gibt. Man hat einfach im Blick, wer vor einem da war und die steigen auch zuerst ein. Es gibt auch nicht an jeder Haltestelle einen Zeitplan. Auf den Routen gibt es „Timepoints“. Dort hängen Fahrpläne, bzw. sind im Netzkatalog (den gibt es in jeden Bus umsonst) ausgedruckt. Bei der längsten Route, der 1, sind es neun. Dazwischen muss man ein bisschen interpolieren. Andererseits bleibt der Bus an den Timepoints auch so lange stehen, bis er wieder im Plan ist. Optisch werden die Busse sicher nicht von den Besserverdienenden genutzt. Schwarze und Latinos stellen überwiegend die Fahrgäste. Davon dann die eher älteren Leute und davon dann wiederum ein größerer Anteil mit einer körperlichen Einschränkung. Der Fahrer wartet geduldig bis auch der letzte Cent passend in die Kasse eingeworfen wurde oder der Dollarschein schmatzend in der Kiste verschwindet. Es gibt kein Wechselgeld und die Fahrer kommen nicht mit Bargeld in Berührung. Es wird nicht eher losgefahren, bis auch der letzte ältere Mensch sicher sitzt. Das gilt auch beim Aussteigen. Hat man seinen Wunsch auszusteigen mit Hilfe der Signalleine kundgetan, bleibt man so lange sitzen, bis der Bus steht. Safety first! Von dem Umgang miteinander könnten sich sowohl Fahrer, als auch Fahrgäste, in Berlin eine dicke Scheibe abschneiden. Ein Manko hat das System allerdings. Privat scheinen einige der Fahrer einen Iglu zu bewohnen. Die Klimaanlagen sind soweit aufgedreht, dass sich selbst der eingefleischte Einheimische die wärmenden Kleidungsstücke überzieht. Die gehören hier wohl zur Grundausstattung, um eine Busfahrt ohne Erfrierungen zu überleben.  Um doch noch eine Lanze für den ÖPNV in Berlin zu brechen, muss festgestellt werden, dass hier deutlich weniger Menschen unterwegs sind, als in Berlin an einem Sonntagvormittag.

 

Heute Morgen kreisen das Tow Boat US (hier der ADAC auf dem Wasser), im Schlepp ein weit aufgerichtetes kleines Motorboot, begleitet von der Coast Guard und der Rivera Beach Police, in großen Zirkeln durch den Hafen und den Ankerplatz. Erst bei der dritten Runde wird mir klar, was eigentlich los ist. Bei dem Motorboot gibt es einen Wassereinbruch. Ursache unklar. Beide Außenborder sind unter Wasser. Durch das schnelle Schleppen versuchen sie ein Sinken zu verhindern. Der Mann im Heck schöpft mit einem Eimer. Auf den nächsten Runden wird klar, dass das wohl nicht ausreichen wird. Nach wie vor sind das Heck und die Motoren fast gänzlich unter Wasser und der Bug weit aufgerichtet. Die Coast Guard setzt einen Mann mit einer Pumpe auf dem Boot ab. Es braucht eine Weile und weitere Runden, bis die Pumpe installiert ist und mit jeder Runde die Außenborder ein Stück weiter auftauchen. Schlussendlich verschwindet der Geleitzug in Richtung Marina. Auch so kann ein sonniger Sonntag beginnen.

Unbeeindruckt von dem Geschehen werden inzwischen die großen Motorboote bei Hochwasser in die flache Marina hinter dem Ankerfeld geleitet.

Für die Menge der Motorbootfahrer und Griller am Sonntagnachmittag am leewärtigen Strand von Peanut Island ist dagegen die Welt in Ordnung. Die Boote liegen, dicht wie in einer Marina, auf dem Strand. Dahinter rauchen die Grills. Natürlich darf die amerikanische Fahne nicht fehlen. Bei einigen hat sie sogar den Weg bis auf die Badehose gefunden. Auch am Ankerplatz wird es eng. Setzt da so langsam der Rückweg der ersten Snow Goose von den Bahamas ein? Auffallend viele kanadische Fahnen sind zu sehen.

Es scheint wohl doch im Wetterbericht für Kanada die Meldung gegeben zu haben, dass die Schneefälle beendet sind und die Temperaturen steigen. Die gelben Quarantäneflaggen wehen unter den Salingen. Einige Boote laufen auch noch mit der Gastlandflagge der Bahamas ein. Tatsächlich, überwiegend Kanadier. Es wird am Ankerplatz richtig eng. Nicht ganz so einfach, als „alter“ Ankerlieger, den „Neuen“, klar zu machen, dass wegen der Tidenströmung hier mehr Platz zum Schwojen angesagt ist. Das schränkt natürlich den zur Verfügung stehenden Ankerplatz weiter ein. Dazu kann man im Hafenkino die unterschiedlichsten Ankermanöver mit verfolgen. Das reicht von „souverän“, bis zu, „das kann nicht halten“. Noch weht es moderat aus S, soll aber in den nächsten Tagen stark auffrischen und auf N drehen. Man wird sehen ….

Parallel läuft der Schiffstransport huckepack zwischen Europa und den USA weiter. Es kommen nach wie vor mehr Schiffe an, als nach Europa zurückgehen.

Zum ersten Mal hat mich heute die Obrigkeit in Form des Sheriffs in seinem Boot auf meinem Weg zum Dinghysteg angehalten. „Wo denn meine Registrierungsnummer am Schlauchboot wäre“, war der Anlass. Ich antwortete, dass es sich um das Beiboot eines deutschen Segelboots handeln würde und daher keine Registrierungsnummer bräuchte. Mit seiner Feststellung: „Wir sind hier aber nicht in Deutschland“, hatte er natürlich Recht. Aber meine Gegenfrage, ob ich dann nicht in jedem Staat eine neue Zulassung bräuchte, war auch nicht unberechtigt. Wir einigten uns stillschweigend auf ein verbales Unentschieden, bevor er mir noch einen netten Tag wünschte. Ich war schon im Abdrehen, als er mich noch einmal heranwinkte. Woher ich denn aus Deutschland wäre, ob ich hergesegelt sei und wie lange das gebraucht hätte, wollte er jetzt wissen. Dann kam seine Feststellung, dass er auch Deutscher sei. Er unterstrich das damit, dass er auf den Nachnamen auf seiner Uniform verwies. Der las sich für mich eher spanisch und das sagte ich auch. Kurze Irritation, ob ich denn wirklich diesen Namen nicht als deutschen Nachnahmen einschätzen würde. Leider nein, da müsste er wohl noch einmal seine Großeltern befragen. Das ist nicht mehr möglich, „they passed away“. Wie ich finde, eine freundlichere Formulierung, als das Deutsche, „sie sind gestorben“ oder die sachliche Feststellung, „die sind tot“. Ich konnte jedenfalls keinen erleuchtenden Beitrag zu seiner Herkunft liefern und wurde noch einmal mit den besten Wünschen für den Tag verabschiedet. Bisher haben alle Leute, die ich bisher in den USA zum Thema gesprochen habe, sich über die Nationalität ihrer Familie definiert. Nie hat sich bisher einer als US Bürger bezeichnet. Das dann evtl. eher, als Ami im Ausland.

Gestern Mittag hat der angesagte Starkwind eingesetzt. Es bläst in Böen bis 7Bft. aus N über den Ankerplatz. Die Frachter und das Kreuzfahrtschiff können nur mit Schlepperhilfe anlegen. Für den Golfstrom warnt der Wetterdienst vor Wellen bis zu 6m. Jetzt zeigt sich, wer zu dicht nebeneinander geankert hat. Mal läuft der heftige Tidenstrom mit, mal gegen den Wind. Die weißen Schaumkronen lassen die Schiffe an den Ankern weit schwojen. Je nach Unterwasserschiff in sehr unterschiedliche Richtungen, sodass sich einige sehr nahekommen. Auf den Booten werden die Fender herausgehängt. Natürlich nur bedingt eine Lösung, sollten die Boote zusammenstoßen. Eigentlich müssten sich die zuletzt gekommenen einen neuen Ankerplatz suchen. Der Platz ist aber limitiert und bei dem Wind möchte auch keiner seinen Anker neu setzen. Nicht alle Skipper sind damit einverstanden und zwischen den dichtesten fliegen die Rufe hin und her. Alle, die um mich herum ankern, kamen nach mir. Nach meiner Einschätzung reicht uns der Platz aber aus. Leider nicht bei allen. Die Kollegen, die sich schon gestern dicht auf die Pelle rutschten, haben heute das Problem mit dem Tidenstrom noch einmal. Um das nicht in der Nacht auszusitzen, hat ein Skipper TowBoat US gerufen, hier der ADAC auf dem Wasser. Das Boot schleppt ihn in Richtung seines Ankers, damit er den gegen den Starkwind auch herausbekommt. Anschließend lässt er sich, deutlich weit entfernt, an einen neuen Ankerplatz schleppen. Für 150 $ Jahresbeitrag sicher eine sinnvolle Investition in den Service an der Ostküste der USA.

Den haben die Kreuzfahrtschiffe der Bahamian Cruise Line sicher nicht, die hier täglich an- und ablegen. Bei einem passte es wohl heute gar nicht. Pünktlich zur üblichen Abfahrtzeit, 17.30 Uhr, ertönte das Schallsignal, „Meine Maschine läuft rückwärts“. Nur, ließ sich der Dampfer vom Wind auf die andere Kaiseite treiben, wo sonst die Frachter anlegen. Weder optisch, noch über den abgehörten Funk, ließ sich eine Ursache feststellen. Das Partyfolk war auch noch auf den Decks. Nach einiger Zeit wurde dann doch abgelegt, jedoch nur, um rückwärts gleich wieder am Frachtkai anzulegen. Mysteriös. Die Reihen auf den Decks lichteten sich, jedoch ohne eine Hektik erkennen zu lassen. Mit knapp drei Stunden Verspätung zur üblichen Zeit wurde dann doch in Richtung Bahamas abgelegt. Eine Ursache dafür war nicht auszumachen. Vielleicht musste ja nur jemand im Rahmen der Sportküstenschifferprüfung an- und ablegen. Kann ja sein.

 

Der in den letzten Tagen vorherrschende Starkwind aus N soll heute Nacht nachlassen und auf E drehen. Ich möchte das nutzen, um die 300 sm bis nach Brunswick am Stück in Angriff zu nehmen. Der nächste Nordwind ist schon angesagt. Ich will meinen Flug von Charleston nach Berlin, was noch weiter im Norden liegt, nicht verpassen. Ich rechne mit 48 h Segelzeit. Mal sehen, ob das noch geht.

Es ging!

284sm in knapp 42h von Anker hoch bis Anker gesetzt. Halb gesegelt, halb amerikanisch aufgekreuzt. Erst herrschte gutes Segelwetter verbunden mit Arbeit. Reff rein, Reff raus, dann, in der ersten Nacht, Schwachwind von achtern. Ich versuche mit Segeln und Maschine Geschwindigkeit und damit Zeit zu machen. Am zweiten Tag hilft dann nur noch die Maschine. Lt. Wetterbericht soll der Wind zur folgenden Nacht, schon auf Höhe Brunswick, auf N drehen und zulegen. Der Wetterbericht hatte Recht. Das Geschwindigkeit Schinden hat nicht ausreichend Zeit gebracht. 11sm stehe ich vor der Ansteuerung von Brunswick mit der Fahrrinne in dem ICW. Es herrscht noch Flaute und Gewitter gehen nieder. Dann frischt es auf und dreht auf N. 5 Bft. voll auf den Bug. Das wollte ich in der zweiten Nacht nicht auch noch aussegeln und so lief die Maschine weiter. Für die 11sm bis in die Rinne habe ich fast vier Stunden benötigt. Es waren nicht nur der Wind und die Welle von vorn, sondern auch noch 1,5 Knoten ablaufendes Wasser. Dazu noch Regen und merkliche Kühle seit dem Passieren der Grenze zwischen Florida und Georgia. Die Wassertemperatur ist von 24 auf 15 Grad gesunken. Adieu Golfstrom und Sunshine Staate Florida. Ich weiß nicht, wer sich solche Gegebenheiten an höherer Stelle ausdenkt, aber sicher kein Segler. Ich habe das Schiff schon einmal vorglühen lassen und die Heizung während des Kampfes um die letzten Meilen angestellt, damit nach dem Ankermanöver alles mollig zum Aufwärmen ist. Wahrscheinlich Jammern auf hohem Niveau, wenn ich an die Segelsommer auf Ost- und Nordsee denke. Die letzten Segeljahre in kurzen Hosen verwöhnen einfach.

Nach zwei durchwachten Segeltagen und Nächten, stellten sich mit dem zweiten Tag auch wieder verwirrende Sinneseindrücke ein. Diesmal nicht der Kugelfender als schlafender Mexikaner, sondern ab dem zweiten Tag wurden aus den vielen Geräuschen im Schiff ganz leise Gespräche irgendwelcher Leute, immer gerade dort, wo ich gerade nicht war. Extrem war die Situation, als ich nach einer Person im Wasser Ausschau hielt, die gerade noch um Hilfe gerufen hatte. In der Nacht ergänzte das Gehirn Lichter an Land, Wolkenformationen und Reflektionen des Wassers zu Häusern und ganzen Landschaften, sodass ich einmal sogar mit der Taschenlampe ins Dunkel leuchtete, um herauszubekommen, woran ich gerade vorbeigefahren war. Falls sich jemand Sorgen machen sollte, ich erfreue mich bester psychischer Gesundheit, während ich das tippe. Spannend ist es für mich allemal.

In der Ferne vom Ankerplatz liegt die Pier der großen Schuhkartonfrachter. Ich vermute, es sind Autotransporter. Mindestens zwei Mal am Tag kommen die beiden Schlepper aus Brunswick, um beim An- oder Ablegen zu drücken oder zu schieben. Da der Weg zum Arbeitsplatz für die beiden dicht an meinem Ankerplatz vorbeiführt, rütteln die Bugwellen das Schiffchen ordentlich durch. Etwas lästig. Dafür sitze ich in der ersten Reihe, wenn die Frachter passieren.

Nach zwei Tagen zum Ausschlafen vor Anker, laufe ich früh in die Brunswick Landing Marina ein. Diesmal werde ich von einem Dänen begrüßt. Ein sympathischer Bär, aber nicht mehr so gut zu Fuß. Er lebt hier auf seinem Schiff. Seinem Englisch ist die Muttersprache genauso anzuhören, wie wohl auch bei mir. Sein Deutsch ist etwas „eingerostet“, wie er sagt. Wir bleiben bei Englisch. Nach dem Einklarieren werde ich an einen guten Liegeplatz gelotst. Gut, weil nicht allzu weit von den Waschmaschinen und Duschen entfernt. Vier Ikea-Taschen voll Wäsche schleppe ich vor die Maschinen. Weil die hier inclusive sind, habe ich auch gleich die Matratzen abgezogen. Da kommt etwas zusammen. Glücklicherweise räumt gerade eine Bootsfrau den letzten Trockner aus, sodass ich Herr über je zwei Waschmaschinen und Trockner bin. Leider nur bedingt, da, nachdem ich die ersten beiden Maschinen in die Trockner gestopft habe und die Maschinen neu befüllt sind, sich die elektronisch gesicherte Tür mit meiner Karte nicht mehr öffnen lässt. Der Däne muss her. Erst testet er meine Karte ohne Erfolg. Mit einem Spruch über die cleveren Dänen holt er seine Karte heraus. Aber auch ohne Resultat. „Da sind wir wohl beide dumme Nachbarn“, ist mein Kommentar. Auch mit einem Schraubenzieher ist die Tür nicht ohne Schaden zu bezwingen. Da muss wohl Morgen ein Fachmann ran. Na wenigstens gehe ich mal davon aus, dass die Wäsche nicht wegkommt.

Im Clubhaus gibt es Freibier aus dem Hahn. Ich schnappe mir ein Fahrrad der Marina und radle dort hin. Der große Raum ist gut gefüllt und es herrscht gute Stimmung. Wie ich mitbekomme, treffen sich hier jeden Tag, von 17 bis 21 Uhr, die Snow Birds der Boote die hier überwintern. Irgendjemand scheint 85 geworden zu sein. Jedenfalls prangt diese Zahl golden über den Anwesenden. Ich zapfe mir mein Bier und genieße zur Abwechslung mal das lautstarke Treiben.

Am nächsten Tag ist der Sesam zu den Waschmaschinen geöffnet. Ich wasche quasi das gesamt Schiff durch, incl. der Matratzenbezüge. Allein dafür lohnt sich die Hafengebühr. Die Fahrräder der Marina sind eher Liebhaberstücke, als Rennmaschinen, aber für den Weg zum Supermarkt und zurück reicht es. Wenn nur der Gegenwind nicht wäre. Im Ergebnis aber ein gutes Kreislauftraining nach so viel sitzender Tätigkeit beim Langstreckensegeln. Die Gasflaschen sind aufgefüllt, ebenso die Wassertanks. Der Wetterbericht passt und so werde ich Morgen die letzten 150 sm nach Charleston in Angriff nehmen.

Wohl auf absehbare Zeit passiere ich die Brücke vor Brunswick. Das fühlt sich schon ein bisschen nach Abschiedstournee an. In der Nacht, auf dem Weg nach Charleston,  gab es einige Gewitter und jede Menge Wetterleuchten. Es wurde noch ein bisschen kühler, als bisher. Beim Ankermanöver in Charleston schüttete es wie aus Kübeln. Der Platz in der Marina ist erst dem 10. reserviert, sodass ich noch ein paar Tage davor ankere. Zeit, um das Schiff ein bisschen einzumotten, bevor es nach Berlin geht. Nach einem halben Jahr an Bord, freue ich mich schon jetzt auf Berlin, ein paar soziale Kontakte und einen Vollkornbrotkanten, belegt mit Old Amsterdam.

Damit ist dann erst einmal Segelpause für vier Wochen.