Die erfreuliche Nachricht vorweg; das Schiff schwimmt in Charleston noch so, wie ich es verlassen hatte. Die schlechten sind, dass es mir schwer fällt meine Tasche über den Steg zu ziehen und auf das Schiff zu entern. Die Karpaltunnel OP an der rechten Hand war erst kurz vor Ostern und die Hand ist noch nicht voll belastbar. Schlimmer aber noch sind meine Knie. In Berlin hatte ich kurz die Überlegung deswegen die ganze Rückkehr über den Atlantik abzublasen. Da ist wohl reichlich Arthrose im Spiel. Das sollte nur besser und keinen Fall darf es schlechter werden, sonst geht es nicht. Ich setze mal auf das warme Wetter.

 Ich nutze den Shuttle Service der Marina, um das Schiff wieder zu verproviantieren. Um die teuren Hafengebühren zu sparen, lege ich mich anschließend vor Anker, mit Blick auf die Marina. Während ein paar Arbeiten am Schiff warte ich, auf das richtige Wind- und Wetterfenster, um den Törn nach Norfolk in Angriff zu nehmen. Nach ein wenigen Tagen am Anker werden konstante SE bis S Winde, ohne Regen vorhergesagt.

Dann mal los.

Die 474 sm segele ich in 3,5 Tagen nonstop ab. Für mich neuer Rekord im Einhandsegeln am Stück und gleichzeitig schon einmal ein Test für den Atlantiktörn mit kleiner Crew. Es ging besser als gedacht, mit Power Napping. Erst vor Norfolk war dafür zu viel Schiffsverkehr und die letzte Nacht wurde härter. Dafür wurde ich auf dem Törn mit sehr schönen Sonnenuntergängen entschädigt. Nach zwei Bier am Morgen kippte ich am Ankerplatz in Norfolk dann in die Koje. Wieder geweckt werde ich vom Kreuzfahrer, der mit viel Tamtam genau gegenüber anlegte.

Jetzt sind noch ein paar Tage Zeit, bevor es in der Werft zur Unterwasserkontrolle für den Atlantiktörn aus dem Wasser geht. Ich hoffe, das gibt keine Überraschungen.

Cobbs Marina liegt 4h Fahrt von Norfolk entfernt, am Ausgang der Chesapeake Bay zum Atlantik. Direkt daneben grenzt ein großer Flottenstützpunkt, in Virginia Beach. Morgens um 8 und abends um 20 Uhr ertönt ein Trompetensignal. Ein bisschen wie Kino, wenn die Kavallerie kommt. Morgens gibt es dann noch die Nationalhymne als Zugabe. Leider hat die Werft bei der Planung meines Krans übersehen, dass der Montag ein Feiertag ist und die Werft nicht arbeitet. Dem Hafenmeister ist das sehr peinlich und ich erhalte neben dem freien Liegeplatz noch einen Träger Bier als Entschädigung.

Als das Schiff dann aus dem Wasser kommt und abgekärchert ist, Erleichterung; es sieht alles gut aus. Einzig der Propp hat während der langen Liegezeit in Charleston Kraut angesetzt. Schneller als gedacht, in drei Tagen, bin ich mit den Arbeiten am Unterwasserschiff und Propp durch und es geht wieder ins Wasser. Das Antifouling ist ausgebessert, der Propp ist gefettet, neu Anoden sind dran und die Windfahnenselbststeueranlage ist montiert.

Im nahen Supermarkt will ich mich für die nächsten Tage verproviantieren. Ich stehe mit meinem vollen Einkaufwagen am Ausgang und bin dabei Bierträger und anderen Einkauf auf meine kleine Sackkarre zu schnallen, als ich lautstark angerufen werde. Aus einem fetten Van dröhnt die Frage zu mir herüber, ob ich einen „lift“ brauche, es sei doch so heiß. Beides stimmt. Seit Tagen herrschen tropische Temperaturen mit bis zu 36 Grad. Nachts geht es nicht unter 20 Grad. Das bei hoher Luftfeuchte. Da käme eine Mitfahrgelegenheit nicht schlecht. Alles klar. Ich packe meinen Einkauf in den Van und schon sitze ich im gekühlten Auto. Ob ich den ernsthaft vorgehabt hätte, das alles zu Fuß zu transportieren, lautet die erstaunte Frage.

Jedenfalls fährt er mich mit meiner Fuhre direkt bis vor das Schiff. Ausgesprochen nett.

Für mich geht es aus Kostengründen aus der Marina zurück zum Ankerplatz in Norfolk. Der Weg dahin führt wieder durch die großen militärischen Anlagen in Norfolk. Gleich vorneweg diverse Flugzeugträger.

Norfolk ist aber auch ein großer Frachtschiffhafen, sodass auch ein paar dicke Brummer passieren.

Am Ankerplatz ist in den nächsten Tagen ausreichend Zeit, um das Schiff weiter auf den Atlantiktörn vorzubereiten. Es bleibt weiter tropisch warm und schwül. Jedes Getränk verdampft quasi auf der Haut. Trotzdem geht es mit dem Schiff voran. Soweit mir möglich ist alles überholt, gewartet und eingerichtet. Es funktioniert alles (auf Holz geklopft). Am Abend kämpft dann ein lokales Feuerwerk gegen das aufziehende Wetterleuchten an. Vorerst 1:0 fürs Feuerwerk, bevor ein Gewitter losbricht., dass aber auch keine Abkühlung schafft. In der Zeitung lese ich, dass genau während meiner Anwesenheit in Virginia Beach ein Massaker stattgefunden hat. In der Stadtverwaltung wurde wahllos auf Menschen geschossen, mit diversen Toten. Normal denkt am ja immer, das ist alles weit weg, bei den Amis. Das war hier anders.

Unabhängig davon wirft das Hafenfest in Norfolk seine Schatten voraus. Die Schlepper über schon einmal mit ihren Feuerlöschkanonen. Auf der Waterfrontseite sind Bühnen und Stände aufgebaut. Die Marine hat rund um meinen Ankerplatz gelbe Sonderbojen ausgelegt. Sie markieren das Ankerfeld. Da geht es dann einen Tag vorher zu, wie am Hotelpool mit den Handtüchern. Ein Boot sucht sich vorher einen Ankerplatz mit Logenblick. Am Starttag des Hafenfestes kommen dann die befreundeten Boote und legen sich in Päckchen bis zu vier Schiffen an den Ankerlieger. Die Grills sind am Heck montiert, als es mit der großen Schiffparade losgeht. Alte und neue Segler, Schlepper und ein Kriegsschiff ziehen vorbei. Es wird reichlich Salut geschossen.

Am nächsten Tag verhole ich zurück in Cobbs Marina. Mein Mitsegler für den Atlantiktörn kommt an Bord. Die nächsten Tage vergehen mit Vorbereitungen am Schiff und einer ausgedehnten Shopping Tour. Nicht nur wegen der Lebensmittel für den Törn, sondern auch ins Outletcenter und, wegen der großen Navy Basis oft angeboten, auch in diverse Läden mit gebrauchtem Militärbedarf. Das war, wie früher in West-Berlin, als man seine Kutte im Army Shop kaufte. An der Qualität des Materials gibt und gab es keinen Zweifel. Bleibt die Frage, ob man heute noch in einem Field Jacket herumlaufen möchte.

Jetzt ist alles verstaut und Morgen soll es losgehen. Die Wetterlage auf dem Nordatlantik verspricht, zumindest für eine knappe Woche, eine Windautobahn in Richtung Azoren.