In diesem Herbst im Mittelmeer scheint nichts so zu sein, wie ich das Segeln aus dem letzten Jahrtausend um diese Jahreszeit hier kannte.

 Entspanntes Segeln mit kleinen Badestopps inclusive.

 Baden könnte man noch gehen, wenn man das wollte. Wassertemperaturen über die 20 Grad gäben das her.

Aber, vermutlich ist das eine der Ursachen, warum die Windverhältnisse zwischen Flaute und Starkwind springen und dem freundlichen mittleren Bereich auslassen. Das Wasser ist einfach zu warm und hat noch zu viel Energie in die Atmosphäre abzugeben.

Jedenfalls suche ich seit Wochen, mal anhaltend moderate Segelwinde, um mich fortzubewegen.

Das gilt auch für die jetzt anstehende Strecke von Barcelona nach Valencia, um dort die nächste Crew zu treffen. Mit Crew wären die 200sm mindestens vier Etappen.

Jetzt beobachte ich schön länger die Windentwicklung für den Törn.

Am ersten Tag soll sich aus der Flaute ein moderater Segelwind entwickeln und sogar nicht gegenan.

Der folgende Tag sagt anfangs Flaute voraus. Aus der entwickelt sich ein Westwind, der zum Abend zunimmt. Die nächsten

Tage werden dann wieder alles Düsen mit bis zu 8 Bft. aufgedreht.

Im Klartext folgt daraus, dass ich vor dem Sturm in Valencia sein muss, damit ich auch die Crew dort treffen kann und nicht in einem Hafen unterwegs eingeweht liege.

Keine kleinen Teilstrecken. Entweder durch die Nacht die Gesamtstrecke am Stück oder zwei Mal mit dem ersten Büchsenlicht los und Strecke machen.

Es soll Plan B mit einem Ankerstopp werden.

Von wegen Flaute bei Barcelona. Hier weht es schon bei Sonnenaufgang mit 5 Bft. Wenigstens wird das bei W Wind ein Halbwindkurs im ersten Reff. Der Speedo bemüht sich um die 10 Knoten Marke.

Je weiter ich mich von Barcelona entferne, desto mehr nimmt der Wind wieder ab. Das hilft auch Ausreffen nicht. Der Diesel schiebt an und der Anker fällt gegen 23.00 Uhr vor Rapita.

Mit Sonnenaufgang wieder los.

Die vormitttägliche Flaute erlaubt ein bisschen zu dösen und gegen den Schlafmangel anzuarbeiten.

Als die erste Dünung auf mich zuläuft ahne ich schon, was kommt.

Innerhalb einer halben Stunde dreht der Wind auf 5 Bft. auf.

Nach einer Stunde sind es dann schon 7 Bft.

Der angesagte Starkwind ist überpünktlich und dreht leider von W auf SW, also genau auf die Nase.

Die Welle, die jetzt gegen mich läuft, passt dazu.

Das Groß hole ich erst gar nicht heraus.

Ich käme mit dem Reffen gar nicht hinterher. Die Gefahr, dabei allein noch Bruch zu machen, weil das Tuch zu lange im Wind schlägt, weil das Manöver zu lange dauert, erscheint mir zu groß.

Nicht wie im Lehrbuch, bin ich unter der Genua gegenan unterwegs. Die Wellen gehen über das Vorschiff und ich kann 42 Grad anliegen, bei 7 Knoten.

Nicht schlecht, aber Valencia liegt genau in Luv.

Auf die Küste zu, eine Wende und wieder raus.

Am Nachmittag zeigt der Windex Böen bis 8 Bft. und ich reffe die Genua noch ein bisschen weg.

Fünf Stunden geht das so. Ich hoffe auf den Sonnenuntergang und dann nachlassende Winde.

Bis dahin wird wohl die Frage, was ich hier eigentlich mache, soweit entfernt von der häuslichen Couch, mal wieder nicht beantwortet werden.

Wie erhofft lässt der Wind mach dem Sonnenuntergang auf 3 bis 4 Bft nach.

Entscheiden ist aber, dass die Welle signifikant abbaut und ich die Chance habe, die nächsten drei Stunden gegen den Wind zu motoren. Das erspart weiteres Aufkreuzen durch die Nacht und bringt mich vor dem nächsten Starkwind in den Hafen.

Kurz vor Mitternacht liege ich am Einklarierungskai.

Es fegt schon wieder durch den Hafen.

Die letzte Hürde kommt nach dem Einchecken am nächsten Morgen.

Der mir zugewiesen Liegeplatz liegt auf der Luvseite des Stegs.

Das erkennen wohl auch die Marineros und besetzten ihr Schlauchboot gleich mit drei Mann als Hilfe beim Anlegen.

Pünktlich faucht es mit 6, in Böen mit 7 Bft. durch die Stege. Die Schiff kippen auf die Seite.

Ich muss erst quer zum Wind durch die Boxengasse, bloß nicht auf eine Schiffsspitze wehen lassen, dann rückwärts in die Lücke und dabei dann das Schiff nicht auf den Steg krachen lassen. Das Bugstrahlruder ist bei dem Wind nicht wirklich eine Hilfe.

Ein Marinero wartet am Steg auf meine Achterleinen und wird mir dann die Mooringleinen aus dem Wasser fischen. Die beiden anderen sitzen im Schlaucher. Ich hoffe, sie schieben mir den Bug gegen den Wind um die Ecke, damit ich in die Lücke komme.

Bei dem Wind muss das Manöver mit mehr Geschwindigkeit erfolgen, als normalerweise nötig ist. Ich bin erstaunt, alles passt wunderbar. Ich bekomme das Schiff ohne Hilfe in die Lücke und kann es auch zeitig vor dem Heck am Steg abbremsen. Die Achterleinen rüber. Da steht wohl der Azubis. Hauptsache er fummelt die Leinen irgendwie fest. Die Mooringleinen findet er auch. Ich muss die Maschine unter Vollgas laufen lassen, damit ich die Mooringleinen am Bug festmachen kann, ohne achtern auf den Steg zu knallen. Um das zu unterstützen, haben die Marineros im Schlaucher ihren Festmacher am Bug angebunden und wollen das Schiff gegen den Wind nach vorne ziehen. Schon beim ersten Versuch reißt ihre Lasche am Schlauchboot ab und der Festmacher ist weg. Die sind keine Hilfe mehr, weil mit sich selbst beschäftigt.

Inzwischen ziehe und zerre ich die armdicken Mooringleinen soweit ich kann aus dem Wasser. Belegen kann ich die Durchmesser nicht auf den Klampen, nur einklemmen. Wer baut sowas in einem Yachthafen?

Als das Gas wegnehme, rutscht das Schiff noch ein ordentliches Stück nach achtern in Richtung Steg, knapp, passt aber.

Bi dem Wind bekomme ich die Leinen vorn sowieso nicht noch mehr unter Spannung.

Schon wieder heult die nächste Böe durch die Masten und alle legen sich auf die Seite.

Ich bin froh, ohne Bruch da zu sein.